Eckpunkte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drs. 19/1580 Landtag 13.03.2018 19. Wahlperiode

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der SPD

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stellt sich derzeit der Diskussion um seine Zukunft. Unter dem Titel „Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter“ haben ARD, ZDF und Deutschlandradio Papiere mit Vorschlägen zur zukünftigen Ausrichtung vorgelegt. Dabei spielt auch die Reduzierung der Kosten eine wichtige Rolle. Diese Vorschläge sind nun politisch im Hinblick darauf zu prüfen, wie sie den Auftrag und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks miteinander in Einklang bringen, auch und gerade im Interesse eines langfristig möglichst stabilen Rundfunkbeitrags. Im kommenden Jahr soll zudem der Telemedienauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diskutiert und neu gefasst werden. Auch diese Diskussion ist für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zentral, denn nötig ist eine der Veränderung des Mediennutzungsverhaltens Rechnung tragende Regelung zur Verbreitung öffentlich-rechtlicher Angebote über das Internet.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllt in Deutschland nach wie vor eine wichtige Funktion. Mit seinem Auftrag ist er ein Garant dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger unabhängig und zuverlässig informiert werden. Er ist als unabhängige, zuverlässige und der ganzen Gesellschaft verpflichtete Quelle von Information, Bildung und Unterhaltung für unsere demokratische Kultur unverzichtbar. Damit und mit seiner regionalen Verankerung leistet der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen wichtigen Beitrag zur Integration unserer Gesellschaft.

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt mit seinen Programmen damit ein Auftrag als Wissens- und Kultureinrichtung zu. Er ist dem Gemeinwohl verpflichtet und ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. In diesem Sinne muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk die sich bietenden technischen Möglichkeiten jetzt und zukünftig nutzen. Und er sollte weiterhin und verstärkt Kooperationen mit anderen Trägern des Gemeinwohls eingehen. Die Zusammenarbeit etwa mit Universitäten, Bibliotheken, Museen oder der Bundeszentrale für politische Bildung – etwa bei Aufbau von gemeinwohl-orientierten Kommunikationsräumen und Plattformen im Netz – ist zu prüfen und zu fördern. Damit er diesem Auftrag nachkommen kann, bedarf der öffentlich-rechtliche Rundfunk eines zukunftssicheren Rundfunkfinanzierungsbeitrages.

Eine zeitgemäße Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seines Auftrages wird gegenwärtig diskutiert; sie ist dringend notwendig. Dabei sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seiner Verpflichtung zur Transparenz gegenüber der Gesellschaft verlässlich nachkommen, soweit ihm das im wirtschaftlichen Wettbewerb mit privaten Medien möglich ist. Das Gebot der Transparenz gilt für die Verwendung des Rundfunkbeitrages ebenso wie für die Arbeit der Kontrollgremien, deren Tätigkeit wie etwa beim Umgang mit Beschwerden öffentlich nachvollziehbar sein muss. Transparenz ist heute aber vor allem auch ein Dialog mit den Nutzerinnen und Nutzern, die Erklärung der redaktionellen Arbeit, das Aufgreifen von Kritik, Anregungen und Hinweisen.

Schließlich steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk technischen Umwälzungen gegenüber, die – vor allem in der jüngeren Generation – zu geänderten Gewohnheiten der Informationsbeschaffung, die heute zu einem bedeutenden Teil nur noch über das Internet und zumeist non-linear stattfindet, führen. Wenn das so ist, muss auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Möglichkeit bekommen, diese neuen Verbreitungswege weiter nutzen zu können. Die Nutzerinnen und Nutzer erwarten, zeitsouverän und mobil auf die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugreifen zu können. Im Hinblick auf die kommende Novellierung des Telemedienauftrages muss dies Beachtung finden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich in den gegenwärtigen Beratungen der Bundesländer über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland an folgenden Eckpunkten zu orientieren:

  1. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist und bleibt mit seinem Auftrag, unabhängig und zuverlässig zu informieren, für die demokratische Kultur des Landes weiterhin unverzichtbar und leistet damit einen Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung und trägt mit seiner regionalen Verankerung bedeutend zur Integration der Gesellschaft bei.
  2. Damit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weiter sparsam wirtschaften können, sind insbesondere in den programmfernen Bereichen, wie IT-Verwaltung, Beschaffungswesen und Infrastruktur verstärkt Kooperationen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, einzugehen. Dafür müssen kartellrechtliche Grundlagen geschaffen werden. Die für den 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gefundene Betrauungsnorm zielt in die richtige Richtung.
  3. Unabhängig von der Verpflichtung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sparsam zu wirtschaften und Kooperationsmöglichkeiten zu nutzen, muss die Finanzierung grundsätzlich dem Auftrag folgen, nicht umgekehrt. Ein prinzipielles Einfrieren des Rundfunkbeitrags – in der jetzigen Höhe, ohne Berücksichtigung der Teuerungsrate und unabhängig vom Auftrag – ist daher abzulehnen. Wie weit dieser Auftrag ausgelegt wird und ob hiervon auch der Erwerb teurer Sportrechte unter besonderen Umständen gedeckt sein kann, ist im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Sportrechtevergabeverhandlungen kritisch und für die Öffentlichkeit transparent zu prüfen.
  4. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen transparent mit den Rundfunkbeiträgen umgehen. In der Gesetzgebung, zum Beispiel im Radio Bremen Gesetz und im ZDF-Staatsvertrag, bestehen schon einige entsprechende Vorgaben für die Veröffentlichung von kommerziellen Betätigungen der Rundfunkanstalten, ihrem Verhältnis zu Tochterfirmen, ihren Unternehmensbeteiligungen und den Gehältern von Intendantinnen, Intendanten sowie Direktorinnen und Direktoren. Solche Fortschritte sind weiter zu fördern und alle Bestrebungen, die Transparenz zu verbessern, zu unterstützen.
  5. Die föderale Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist von großem Nutzen für die demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger in allen Regionen Deutschlands. Die föderale Struktur ermöglicht eine regionale Berichterstattung und damit eine dezentrale öffentliche Information und Meinungsbildung. Und sie ermöglicht zudem die Förderung von Regionalsprachen wie dem Niederdeutschen, wie sie in der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vorgeschrieben ist. Die föderale Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in Zeiten zunehmender Vereinzelung und politischer Polarisierung ein wichtiger Faktor des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
  6. Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist es auch, die Perspektive von Menschen mit Beeinträchtigungen abzubilden.
  7. Der veraltete Telemedienauftrag für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist zu verbessern und zeitgemäß zu gestalten. Damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag auch im digitalen Zeitalter weiter erfüllen kann, muss sein Auftrag auch die Verbreitung von Information, Bildung und Unterhaltung im Netz mit den dort üblichen Darstellungsmitteln umfassen. Aktuelle Stichpunkte sind hierbei die Verweildauer von Sendungen in den Mediatheken und die rechtliche Bewertung presseähnlicher Angebote. Zur Nutzung von Telemedien gehört auch der Auftrag an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die heutigen Kommunikationswege im Netz verstärkt für einen umfassenden Dialog mit seinem Publikum zu nutzen. Dies schafft Vertrauen und Transparenz.
  8. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte eine eigene, gemeinsame, offene und nicht-kommerzielle Plattform entwickeln können. Dabei sind „offene Standards“ einzuhalten. Ebenfalls sollten Texte und geeignete Software, wie zum Beispiel die Aussprachedatenbank der ARD, unter einer Creative-Commons-Lizenz für eine nicht-kommerzielle Nutzung veröffentlicht werden. Die Archive des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – als elektronisches Gedächtnis der Gesellschaft – sollten im Rahmen der technischen und der rechtlichen Möglichkeit nach und nach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zudem sollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Verbreitung ihrer Inhalte auf Plattformen Dritter weiter nutzen.
  9. Es ist sinnvoll, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit und der Programmautonomie weitere Kooperationen mit Einrichtungen aus den Bereichen Bildung und Kultur aufbauen, um vorhandene Informationen und vorhandenes Wissen zu ordnen und für alle Bürgerinnen und Bürger verfügbar zu machen.
  10. Um die Medienkompetenz zu fördern, sind auch weitere Kooperation mit Schulen und Bildungseinrichtungen zu suchen.

Mustafa Öztürk, Dr. Maike Schaefer und Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

Rainer Hamann, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD