Kostenfallen im mobilen Internet

Verbraucherschutz und Datenschutz

Dieser Antrag ist das Ergebnis langer Diskussionen – und juristischer Beratungen.

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18/935 06. 06. 13
Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen

Bereits seit einiger Zeit beschäftigt sich die Gesetzgebung mit dem Problem unseriöser Kleinunternehmer, die den Nutzerinnen und Nutzern von sogenannten Smartphones mittels zweifelhafter Praktiken Geldbeträge zusammen mit ihrer Mobilfunkrechnung abbuchen. Sie reservieren in den heutzutage viel genutzten Apps Flächen für Reklame-Banner.

Tippt die Anwenderin/der Anwender auf das Reklamebild, öffnet sich im Smartphone eine WAP-Seite, die die App nun überlagert. Sie ist von einer normalen Internetseite meist nicht zu unterscheiden und fällt daher kaum auf. Der heute nur noch selten eingesetzte WAP-Standard (Wireless Application Protocol) sieht im Unterschied zum sonst gängigen HTML vor, dass beim Übermitteln der Daten die Identifikation der im Telefon befindlichen SIM-Karte zur Gegenstelle gesendet werden darf.

Dank dieser Kennung lässt sich der Mobilfunkanbieter ermitteln, der wiederum in der Lage ist, damit den Kunden zu identifizieren. Mittels dieser Daten werden dann über den eigentlichen Mobilfunkanbieter Geldbeträge für dritte Unternehmen eingezogen.

Hierzu müssen Anbieter von Inhalten oder Bezahlfunktionen einen Factoringvertrag mit dem jeweiligen Mobilfunkanbieter abschließen. Die Kundinnen und Kunden bekommen von alledem nichts mit und erfahren erst beim Eintreffen ihrer Mobilfunkrechnung von vermeintlich abgeschlossenen Abonnements
oder sonstigen Leistungen ohne erkennbaren Wert.

Die vom Bundestag am 27. Oktober 2011 beschlossene Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) enthielt bereits einzelne Vorschriften zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor dem Einzug unberechtigter Forderungen aus Kostenfallen im Wege des „WAP-Billings“: So erschwert es § 45k Abs. 2 TKG Netzbetreibern, wegen Forderungen aus Kostenfallen den Telefonanschluss zu sperren und entschärft damit ein erhebliches Druckmittel. § 45h Abs. 1 TKG sieht vor, dass bei über den Telefonanbieter abgerechneten Forderungen von Drittanbietern Identität und Leistung der Drittanbieter in der Rechnung in hervorgehobener Form angegeben werden müssen.

Hat der Drittanbieter seinen Sitz im Ausland, ist zusätzlich ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter zu benennen. Schließlich erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher nach § 45d Abs. 3 TKG das Recht, die missbrauchsanfällige WAP-Schnittstelle netzseitig sperren zu lassen.

Verbraucherverbände kritisieren jedoch, dass gerade über diese letzte Möglichkeit seitens der Telekommunikationsanbieter nach wie vor zu passiv aufgeklärt wird. Dieses Problem würde im Fall einer sogenannten Opt-In-Lösung, bei der die Verbraucherin bzw. der Verbraucher aktiv die Freischaltung dieser Leistungen beantragen muss, entfallen.

Auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wurden über die sogenannte Ein-ButtonLösung Regelungen geschaffen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher vor unbemerkten Vertragsabschlüssen zu warnen. Danach sollen sie genau und sicher erkennen können, wann ein „Klick“ Geld kostet. Auch wenn diese Vorschrift das Problem der Reklamebanner in Apps erfasst, wird sie doch zumeist nicht eingehalten.

Insofern ist zwar kein wirksamer Vertrag zustandegekommen, dennoch werden die
angeblichen Forderungen über die oben beschriebenen Factoringverträge eingezogen. Die Telekom beispielsweise fordert in diesen Fällen von ihren Kundinnen und Kunden, sich mit Rückforderungen direkt an den Inhalteanbieter zu wenden. Eine Rückforderung der Beträge ist meist nur auf gerichtlichem Wege möglich, weshalb angesichts der niedrigen Summen viele Verbraucherinnen und Verbraucher gleich komplett auf ihre Ansprüche verzichten. Die Telekom oder andere Mobilfunkbetreiber verdienen an diesem zweifelhaften Vorgehen dadurch, dass sie die Differenz zwischen dem Forderungsnennwert und der Factoringsumme einbehalten.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

  1. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, sich auf Bundesebene für eine gesetzliche Regelung einzusetzen,
    • a) die in § 45d TKG eine grundsätzliche Sperrung von WAP-Bezahlvorgängen
      vorsieht, die nur auf textförmliche Erklärung der Nutzerin/des Nutzers freigeschaltet werden;
    • b) die im Falle des Factorings den Mobilfunkanbieter verpflichtet,
      • i) sich nachweisen zu lassen, dass der Unternehmer seiner Pflicht aus § 312g Absatz 2 bis 4 BGB nachgekommen ist;
      • ii) ausdrücklich klarzustellen, dass bei entsprechenden Factoringverträgen der Mobilfunkbetreiber die Forderung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eintreibt,
    • c) die in einem eigenen Absatz zu § 312g Absatz 2 bis 4 BGB klarstellt, dass die Beweislast für die Erfüllung der Pflichten des Unternehmers aus dieser Vorschrift beim Unternehmer liegt;
    • d) die Einführung einer Musterschaltfläche für die Buttonlösung wissenschaftlich und rechtlich zu prüfen und gegebenenfalls ein Modell für eine solche Schaltfläche zu entwickeln;
    • e) die die Kundenschutzrechte, die ansonsten Standard bei Mobilfunkverträgen sind, auch für den Betrieb von Smartphones sichert.
  2. Die Bürgerschaft (Landtag) bittet den Senat, sich beim Bund dafür einzusetzen,
    dass dieser als Anteilseigner bei der Telekom im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Befugnisse darauf hinwirkt, dass die Telekom sich aus diesen fragwürdigen Geschäftsmodellen zurückzieht.
  3. Ebenfalls bittet die Bürgerschaft (Landtag) den Senat, sich als Sofortmaßnahme bei der Bundesnetzagentur im Rahmen des Verfahrens nach § 67 TKG dafür einzusetzen, dass Entgelte im Rahmen der Smartphoneabofallen wirksam gedeckelt werden.

Sarah Ryglewski, Rainer Hamann, Björn Tschöpe und Fraktion der SPD

Jan Saffe, Mustafa Öztürk, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen