Schüler fordern mehr Mitspracherecht

Wahlforum mit Erstwählern und Bürgerschaftskandidaten der Parteien im Hermann-Böse-Gymnasium

Weser Kurier, Stadtteilausgabe 29. März 2011, Andreas Becker

Schwachhausen. Am Ende will es keiner gewesen sein. Wer der anwesenden Politiker denn für das Turbo-Abitur nach zwölf Jahren eingetreten sei, wollte eine Schülerin wissen. Auf diese Frage gab es von den fünf Bürgerschaftskandidaten auf dem Podium im Hermann-Böse-Gymnasium keine befriedigende Antwort. Bei der ersten Diskussion mit Erstwählern der 11. und 12. Jahrgangsstufen standen naturgemäß Bildungsthemen im Vordergrund.

Klaus-Rainer Rupp von den Linken bezeichnete sich als entschiedener Gegner des Turbo-Abiturs. „Die Welt ist komplexer geworden, und man muss mehr lernen als früher. Dafür müsste man eigentlich mehr Zeit haben und kreativer herangehen“, sagte er. Die Schule als Durchlauferhitzer – das sei fragwürdig. Der Grüne Ralph Saxe verwies darauf, dass Bremen die Oberschule mit der Möglichkeit eines Abiturs nach 13 Jahren eingeführt habe. Er sicherte den Schülern zu, die Forderung nach Abschaffung des Turbo-Abiturs in die politischen Gremien mitzunehmen. Eine Schülerin forderte in diesem Zusammenhang mehr Mitspracherecht und bekam dafür großen Beifall. „Wir wissen ganz gut selbst, was für uns sinnvoll ist“, sagte sie.

Turbo-Abitur als Modeerscheinung

Rainer Hamann (SPD) erinnerte sich daran, dass das Turbo-Abitur in der Einführungsphase eine „Modeerscheinung“ gewesen sei. Heute sei er von den Vorteilen nicht mehr überzeugt. „Ihr habt teilweise mehr Arbeitsbelastung als in der Industrie“, sagte er an die Schüler gewandt. Susanne Grobien (CDU) sprach sich für eine bundesweite Vergleichbarkeit der Abiturstandards aus. Die Länderhoheit bei der Bildung müsse zumindest teilweise aufgebrochen werden.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Diskussion war die desolate Finanzlage Bremens. Hierzu wollten die Schüler konkrete Maßnahmen zur Konsolidierung erfahren. Christina Meyer (FDP) erkannte nicht fehlende Einnahmen als Problem, sondern die Höhe der Ausgaben. Um diese in den Griff zu bekommen, machte sie drei konkrete Vorschläge. Dazu gehört die Auflösung des Kulturressorts, dessen Arbeit nicht gefruchtet habe; es solle ins Bildungsressort eingegliedert werden. Das gleiche Rezept empfahl sie für die Landeszentrale für politische Bildung. Zudem sollten alle Subventionen kritisch hinterfragt werden.

Rainer Hamann sagte, der richtige Weg sei, in der öffentlichen Verwaltung zu sparen. Allerdings nicht so, dass der Service für die Bürger schlechter werde. Um mehr Einnahmen zu erzielen, müsse Bremen mehr Einwohner aus dem Umland gewinnen. Er wandte sich gegen Ideen aus dem Lager von CDU und FDP, die Gewoba zu verkaufen. Dies rief wiederum Susanne Grobien auf den Plan. Über Privatisierungen müsse man durchaus nachdenken, empfahl die CDU-Bürgerschaftskandidatin. Dies gelte auch für Parkhäuser. „In Bremen ist Parken vergleichsweise billig“, sagte sie mit Blick auf zusätzliche Einnahmemöglichkeiten.

Klaus-Rainer Rupp widersprach bei der Forderung der Linken, Reiche und große Erbschaften höher zu besteuern. Rupp wiederum hatte argumentiert, dass ein Staatshaushalt mit privaten Finanzen nicht vergleichbar sei. Schulden seien in einem gewissen Umfang normal. Die hohen Schulden Bremens seien jedoch ein großes Problem, weil die öffentlichen Einnahmen nicht gestiegen seien. Der einzige Ausweg sei, privaten Reichtum und Großunternehmen bei den Abgaben mehr zur Kasse zu bitten.

Grünen-Kandidat Ralph Saxe gab ihm in Bezug auf höhere Einnahmen recht. Höhere Steuern müssten jedoch vom Bund erhoben werden. „Die Hoffnung auf Geld aus Berlin reicht aber nicht“, betonte der Schwachhauser Beiratssprecher. Wenn Bremen nicht spare, seien die eingeplanten 300 Millionen Euro aus dem Länderfinanzausgleich weg. Ohne eine strenge Sanierung gehe es nicht. Deshalb sollen in den nächsten drei Jahren 950 Stellen wegfallen und Doppelstrukturen beseitigt werden.

Gefragt, wie das soziale Gefälle zwischen den Stadtteilen überwunden werden kann, sprachen sich Grüne und Linke für die Ausweitung der WiN-Mittel (Wohnen in Nachbarschaft) aus. Rupp: „150 Millionen zusätzlich für eine Liste kleinerer Projekte würden viel bewirken.“